VORTRAGSVERANSTALTUNGEN

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Mittwoch 23.04.

18:00

Distanz und Partizipation: Bemerkungen zum modernen Theaterbau

Ulrich Müller

Walter Gropius hat 1921/22 das Jenaer Theater vollständig umgebaut. Für die moderne Architektur war viel gewonnen, wenig allerdings für die Bauaufgabe des Theaters. Mit dem Entwurf des Totaltheaters von 1927 für Erwin Piscator gelang es dem Architekten, alle baulichen Errungenschaften der Moderne zu bündeln und in einem Theaterprojekt zusammenzuführen.


Donnerstag 24.04.

17:00

Dejstwennaja szenografija - Wirkende Szenographie

Victor Shilkrot

Der Begriff 'wirkende Szenographie' wurde von dem Theatertheoretiker Viktor Berjozkin in seinen Forschungen zur "Kunst der Szenografie des Welttheaters" geprägt und betrachtet Technologien als inhärenten Teil szenografischer Gestaltung. Viktor Schilkrot wird in seinem Vortrag beschreiben, wie Berjozkin dieses System der Inszenierungsgestaltung konzipierte und wird Arbeiten einiger  wichtiger  Szenografen im zeitgenössischen Theaterkontext Russlands vorstellen. Die berühmten Namen aus der russischen Avantgarde wie Eisenstein, Tyschler, Ryndin, Wassiljew und Lawinski werden in seinem Vortrag ebenfalls kontextualisiert.


18:00

Farben und Klänge: Raumrealisationen zwischen Bauhaus und Black Mountain College

Ute Holl


20:00

Theatermaschine - Von der magischen Maschine zur "mechanischen Exzentrik" (Moholy-Nagy)

Jan Lazardzig

Mit der 'spektakulären Maschine' an der Wende zur Frühen Neuzeit verbindet sich ein Verständnis der Maschine, welches jenseits von Nützlichkeits- und Verwertbarkeitsphantasmen liegt und welches auf die Unterhaltung der Betrachter zielt. Dieses "unproduktive" Maschinenverständnis, welches sich beispielhaft in der barocken Bühnenmaschinerie zeigt, bleibt dem Theater auch noch im Zeitalter der Frühindustrialisierung erhalten. Die Suche der historischen Avantgarden nach einem radikal anderen, nicht auf Funktionalität, Nützlichkeit und Verwertbarkeit basierenden Verständnis der Maschine, nimmt ihren Ausgangspunkt nicht zufällig auf der Bühne.


Freitag 25.04.

17:00

following the white rabbit

Manuel Fabritz

Der Vortrag versucht anhand verschiedener historischer Entwicklungen und Entwürfe die Entstehung von bewegten Raumbildern und der Apparate, die diese ermöglichen zu beschreiben. Ausgehend vom historischen Panorama und Diorama sollen Wege beschrieben werden, die zum heutigen Begriff der Szenografie führen. Diesem eher historisch-technischen Bericht werden einige Beispiele aus der science fiction Literatur gegenüber gestellt, die sich mit dem mentalen Raum und dem fiktionalen Raum beschäftigen. Hier spielen zum Beispiel bewußtseinserweiternde und wahrnehmungsverändernde Substanzen eine Rolle, die als „Initial“ für einen erweiterten Raumbegriff dienen. Es stellt sich die Frage, inwieweit die wissenschaftliche Untersuchung und Entwicklung dieser Substanzen bestimmte technische Entwicklungen beeinflußt hat oder anders gefragt: führt ein Weg vom mechanischen Raumapparat zum mentalen Traumapparat und zurück?

18:00

Seltsame Erweiterungen - Oskar Schlemmers Bühnenkostüme vs. Hussein Chalayans Modedesigns

Katharina Tietze

Ausgangspunkt meiner Überlegungen sind formale Ähnlichkeiten in den Werken zweier völlig verschiedener Gestalter, Oskar Schlemmer, Maler, Bildhauer und Bühnengestalter, geboren 1888 und 1943 gestorben und Hussein Chalayan, britisch-türkischer Modedesigner, Jg. 1970.
Dies gibt mir die Möglichkeit zum einen die Wirkungen von Ideen, die am Bauhaus entwickelt wurden, in der Gegenwart zu untersuchen, aber auch das Verhältnis von Bühnenkostüm und Modedesign zu reflektieren. Letzteres ist auch für meine Arbeit von Bedeutung, ich habe Modedesign studiert, war dann Kostümbildnerin am Theaterhaus Jena und bin nun als Dozentin wieder zum Design zurückgekehrt. Zum dritten streife ich auch eine aktuelle Diskussion zu unserem Verhältnis zur Moderne. Auf der letzten Documenta war eines der drei Leitmotive „Ist die Moderne unsere Antike?“ Auf der gerade stattfindenden Berlin Biennale bezieht sich eine Reihe von Arbeiten auf ihren Ausstellungsort, die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe. Es gibt also momentan eine Reihe von künstlerischen Arbeiten, die die klassische Moderne reflektieren und die Frage ist, wie und warum sie dies tun.

Oskar Schlemmer wurde 1888 in Stuttgart geboren und hat dort Malerei studiert. Seine Lehrtätigkeit am Bauhaus begann er 1921 und anfangs leitete er die Steinbildhauerei- und die Wandbildmalerei-Klasse. Schon seit 1912 hatte er am „Triadischen Ballett“ gearbeitet, das 1922 in Stuttgart uraufgeführt wurde. 1923 übernahm er die Leitung der Bühnenwerkstatt und ging 1925 mit nach Dessau, nachdem das Bauhaus in Weimar nach Repressalien aufgelöst wurde. 1929 wurde er nach Breslau berufen. Die Nationalsozialisten entliessen ihn 1933 aus dem Staatsdienst, seine Werke wurden 37 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert. Er schlug sich mit kleineren Aufträgen durch, entwarf Wandbilder und arbeitete für eine Lackfabrik in Wuppertal. 1943 starb er während einer Kur in BadenBaden.
Schlemmers künstlerische Arbeit lässt sich nicht auf ein Genre festlegen, er war sowohl Maler als auch Bildhauer, Choreograf und Bühnenbildner. Sein zentrales Motiv ist der Mensch im Raum. Er selbst war durchaus hin und her gerissen zwischen Bühne und Malerei und schreibt 1925 in seinem Tagebuch: „ Ich bin zu modern, um Bilder zu malen. Die Krise der Kunst hat mich erfasst. Vielleicht bin ich auch zu wenig beständig. Ich gehe mit Unlust an die Arbeit. Quäle mich mehr, als dass ich male! Bin arm, eng; durch dennoch Unmögliches zu wollen, fragwürdig, apogryph. Bühne! Musik! Meine Leidenschaft! Aber auch: die Weite des Gebietes. Den theoretischen Möglichkeiten meiner Anlage entsprechend, weil es mir natürlich ist. Der Phantasie freie Bahn. Hier kann ich neu sein, abstrakt, alles. Hier kann ich alt sein, mit Erfolg. Hier ist nicht das Dilemma der Malerei, zurückzufallen in eine Kunstgattung, an die ich innerlich nicht mehr glaube.“

Chalayan wurde 1970 auf Zypern geboren und geprägt durch die Teilung der Insel in eine türkische und einen griechische Hälfte. Nachdem er mit 12 Jahren von seinen Eltern in ein englisches Internat geschickt wurde, studierte er später Modedesign am St. Martins College of Art and Design. Zu seiner Berufswahl sagt er „ Basically I felt that I had to do something linked to the body. Architecture was the first thing that came to my mind because the essence of whats talked about – you know the relationship between an envoirment and a space you create around something with its social or physical connotations – is very much what I think about.“ 1993 macht er seinen Abschluss und seitdem ist immer wieder von seinen experimentellen Kollektionen zu hören und zu lesen. Besonders berühmt ist die Kollektion „Afterwords“ geworden, in der die Models am Ende der Show eine Zimmereinrichtung wie Kleidung anziehen und damit den Raum verlassen. Er ist in gewisser Hinsicht der Philosoph unter den Modedesignern, jemand, der inspiriert ist von politischen Fragen und technologischen Entwicklungen. Seine Shows sind nicht nur Kleiderdefilees sondern sie sind Inszenierungen, erzählen Geschichten mit überraschenden Wendungen. Er arbeitet zudem an künstlerischen Projekten und hat 2005 die Türkei auf der Biennale in Venedig vertreten. Im selben Jahr waren seine Arbeiten in einer Werkschau im Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen. Vor zwei Monaten wurde er zum Kreativdirektor von Puma ernannt.

Trotz aller Unterschiede verbindet Schlemmer und Chalayan eine künstlerische Arbeitsweise, die Konventionen sprengt und das Publikum herausfordert. Charakteristisch für beide ist außerdem, dass zentrale Arbeiten flüchtiger Natur sind. So wie Schlemmers Aufführungen des Triadischen Ballets trotz aller Versuche nicht zu rekonstruieren sind, so sind die Shows von Chalayan sicher vor allem live beeindruckend. Das versieht auch die Reflektion ihrer Arbeit mit einer zusätzlichen Ebene.
In meinem Beitrag möchte ich an drei Beispielen Übereinstimmungen, formale Analogien, der Arbeiten von Schlemmer und Chalayan vorstellen und diskutieren.
(oskar schlemmer – tanz theater bühne, Ostfildern-Ruit 1994, S.315; Susanna Frankel: Visionaries, London 2001)

 


20:00

Dynamik der Gross-Stadt
Filmpräsentation von/mit Schröter & Berger

Schroeter und Berger haben ein Filmmanuskript Moholy-Nagys über die „Dynamik der Gross-Stadt“, welches er als avantgardistische Typofoto-Arbeit und Lesefilm entwickelte zu einen Animationsfilm mit Hilfe der Collagetechnik und eigenem Bildmaterial realisiert. Die Aktualität Moholy-Nagys spiegelt sich in der Aneinanderreihung rasanter Abfolgen bewegter, großstadtspezifischer Symbolik in Bild, Text und Ton. "An diesem Abend wird Ihnen die Geschichte des Manuskriptes sowie der Film selbst präsentiert. In einem schönen kleinen Vortrag mit folgender Diskussionsbereitschaft, probieren Schröter und Berger ihre Liebe zum revolutionären Konstruktivismus, Dadaismus… zu vermitteln. Wir hoffen wie immer, das danach die Kunst aufhört Kunst zu sein und das Leben theatralisiert wird."


Samstag 26.04.

17:00

Physical Modelling fürs Musiktheater - Stäbetänze im realen und virtuellen Raum

Johanna Dombois

Angelehnt an Moholy Nagys Ausspruch: "Die richtige heutige Forderung ist eine wirkliche Form- und Bewegungsorganisation, welche gleichwertig den heute erzeugbaren akustischen und optischen (elektrischen) Phänomenen beigeordnet ist" wird Johanna Dombois über Herstellung und Überlagerung technischer, maschineller und musikalischer Parameter in ihrer virtuellen Fidelio-Inszenierung in der Neuen-Medien-Bühne des Beethoven-Hauses Bonn sprechen. Mit Hilfe von abstrakten Figurinen entworfen, basiert die Produktion (UA 2004) zum einen auf den Prinzipien einer Musikvisualisierung – ausgehend von der Beobachtung, daß die digitalen, binär-codierten Medien per se musikalisch sind, konnte Oper hier in puncto Präzision und chorerographische Geschmeidigkeit unter neuen Prämissen entwickelt werden. Zum anderen ist die Inszenierung interaktiv steuerbar, das Kompositorische hat Eingang in die Figurenführung selbst gefunden.
In diesem Sinne konzentriert sich der Werkstattbericht speziell auf die Choreographie der Statur Pizarros, welcher sich gleichzeitig architektonisch wie figürlich formiert. Was auf einer herkömmlichen Bühne unerreichbar bleiben muß, konnte im Virtual Environment durch partiturgenaue Programmierung in Szene gesetzt werden: Das Gefängnis des II. Akts (Stäbemodell) verwandelt sich prozessual in einen Protagonisten (Stäbefigur) und, wo erforderlich, vom Protagonisten schwellenlos wieder zurück zum Gefängnisraum. Physikalische Modellierung wird zum Motor musiktheatraler Abläufe und Entscheidungen.
Mit Hinsicht auf die Frage, ob es überhaupt strukturelle Ähnlichkeiten zwischen analoger und digitaler Regieführung geben kann, werden Bezüge zwischen der virtuellen Stäbechoreographie Pizarros und den Bauhaustänzen Oskar Schlemmers (1927-29), deren Rekonstruktionen und Neufassungen durch Gerhard Bohner (1976/77ff.) sowie Elementen des Butoh-Tanzes bei a-ha (1993/94) hergestellt. Grosso modo geht es um jene szenographischen Parameter, mittels derer Raum, Körper und Mechanik wechselseitig Einfluß aufeinander nehmen.



20:00

Fernräumlichlichkeit. Zur Diskussion um den telematischen Raum: (Theater)Praxis und Theorie

Birgit Wiens

In meinem Vortrag möchte ich Phänomene behandeln, die in der Theaterwissenschaft mit dem Begriff der „Fernräumlichkeit“ bezeichnet wurden. Der Begriff klingt etwas altertümlich; Max Herrmann, einer der Gründerväter des Faches, hat ihn in seiner programmatischen Schrift „Das theatralische Raumerlebnis“ 1931 verwendet. Im Unterschied zum theatralischen Raum, der Bühne, sowie auch im Unterschied zum Umraum eines Spielortes oder Theatergebäudes (also seinem meist städtischen Kontext) ist „Fernraum“ eine etwas verschwommene Kategorie: sie bezeichnet geographisch fern liegende Räume, die wir aus der Erinnerung oder Vorstellung kennen, oder auch utopische Räume, mit anderen Worten: virtuelle Räume, die man ahnt oder in die man sich phantasiert. Solche Räume sind nicht ohne theatergeschichtliche Tradition: beispielsweise war die Landschaft, die der antike Theaterbesucher hinter bwz. um Orchestra und Scene wahrnahm, ein solcher ‚Fernraum’ – dieser wurde, wie Bruno Snell dargelegt hat, seinerzeit wahrgenommen als belebter, „geistiger Raum“ (denn in der Antike ging man davon aus, dass in der Natur die Götter, Halbgötter, Satyrn und Nymphen wohnen): so gesehen, wurde er Teil des theatralen Spiels und verlieh diesem zusätzliche Sinnhaftigkeit. Die neuzeitliche Theatertradition dagegen, seit der Renaissance, hat das Theater in geschlossenen Räumen platziert: Fernräume wurden, wenn überhaupt, sprachlich oder in Bilddarstellungen vermittelt; das Spiel, im szenographischen Radius, beschränkte sich auf das Hier und Jetzt. Den so geschlossenen Guckkasten hat erst das Theater im 20. Jahrhundert wieder überschritten; u.a. wurden mithilfe von Medientechnologien (zunächst Film und Video) ‚Fenster’ geöffnet hin zu anderen, virtuellen Räumen.

Der Vortrag widmet sich, unter besonderer Berücksichtigung von Christopher Kondeks Projekt „Dead Cat Bounce“, Fragestellungen gegenwärtiger, intermedialer Szenographien. Insbesondere soll es um solche intermediale Bühnen gehen, die sich in Echtzeit hin zu anderen, telematischen Räumen öffnen („Dead Cat Bounce“ schaltet sich beispielsweise live ein in den Aktienhandel via Internet). Auch die ‚Räume’ des Internet könnte man als „Fernräume“ bezeichnen (wie sie allerdings Max Herrmann noch nicht kannte). Zu fragen wäre jedoch: Ist das Internet überhaupt ein Raum? Und wie deuten wir den ‚Cyberspace’: als kommunikativen Raum? Als energetischen, gar magischen Raum? Als ‚globales Dorf’, oder als Raum der ökonomisch und politisch motivierten Ausschlüsse und Segmentierungen? In welcher Weise ist dieser Raum mit dem Theater verbunden bzw. wie wirkt er auf Dramaturgie, Szenographie und Spielpraxis zurück?


Sonntag 27.04.

17:00

Kunst und Synthese

Jewgenia Orlowa

Jewgenia Orlowa wird ausgehend von der westeuropäischen Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts den Einfluß neuer Technologien auf die Künste und die Generierung von Strategien der Wahrnehmung bis zu aktuellen Zustandsbeschreibungen verfolgen. Im Fokus steht dabei die Betrachtung von Syntheseideen, des Findens medialer Entsprechungen in Musik, Farbe, Empfindung, Form und Abbildung als bezeichnende Elemente von künstlerischen Praktiken. 'Malerei, Zeichnung, Skulptur, Fotografie, Licht- und Videoprojektionen interpretieren als synthetisierte Sprache die (Theater)Architektur als optischen Ort. Licht- und Videoprojektionen in der zeitgenössischen russischen Theaterarchitektur bieten keine fertigen Werke an und leben ganz von der Reaktion des Betrachters.'